KI-Bilder - jenseits der Fantasie!

 

Ein Gespräch zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bibliothek der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (HSU/UniBw H) und dem Fotografen Reinhard Scheiblich.

Bibliothek: Reinhard, du bist seit über 40 Jahren Berufsfotograf, viele Jahre davon als Wissenschaftsfotograf an der hiesigen Universität. Parallel zu Deiner Arbeit hast Du Dich mehrmals mit experimenteller Fotografie beschäftigt.

Scheiblich: Ja, das stimmt. In der Mitte meines Berufslebens erlebte ich den Übergang von der analogen zur digitalen Fotografie, was ich damals für eine bahnbrechende Entwicklung hielt.

B: Warum?

S: Auf der einen Seite erfuhr ich eine enorme Erleichterung des beruflichen Alltags, auf der anderen Seite öffneten sich mir gänzlich neue Möglichkeiten, mit Fotos zu experimentieren.

B: Woher kam der Wunsch, sich ein wenig von der klassischen Fotografie zu lösen?

S: Seit meiner frühesten Jungend interessiere ich mich für Kunst. Besonders die Malerei hat es mir seit jeher angetan. Eine Leidenschaft, die auch maßgeblich durch meine Familie geprägt wurde. Als Fotograf habe ich immer Künstler beneidet, die aus der Erinnerung arbeiten konnten. Sie sind weder an einen Ort, noch an die Zeit gebunden.

B: Diese Freiheit hast Du Dir mit Hilfe einer Bildbearbeitungssoftware am Computer genommen und abstrakte Bildkompositionen geschaffen, deren Grundlage eigene Fotos waren.

S: So sind über dem Zeitraum von einigen Jahren Fotografiken entstanden, die in zwei großen Ausstellungen im Ausstellungsfoyer der Bibliothek der Helmut-Schmidt-Universität gezeigt und in Katalogen publiziert wurden.

B: Diese Motivation zum Experimentellen ist wohl auch eine Erklärung dafür, dass Du Dich bereits vor anderen, zum Teil großen Künstlern, wie beispielsweise dem Fotografen Andreas Gursky, mit der professionellen Smartphone-Fotografie beschäftigt hast. Welche Gründe kamen noch hinzu?

S: Es war ein Besuch im sommerlich heißen Venedig, der mich, den Berufsfotografen, zum Smartphone greifen ließ, um das Gewicht der 4 Kilogramm schweren Fotoausrüstung gegen erträgliche 270 Gramm zu tauschen. Wieder zurück in Hamburg begann ich die Stadt und ihre Menschen mit dem leichten, handlichen Smartphone zu fotografieren. Die Fotos wurden ebenfalls in der Bibliothek der HSU gezeigt.

B: Dir wurde vorgeworfen, mit dem Smartphone zu fotografieren, sei ein Schritt in die falsche Richtung. Das hat sich mittlerweile gelegt. Doch nun das, Du gestaltest - zur Überraschung vieler - Fotos mit einer Künstlichen Intelligenz.

S: Ist das wirklich eine Überraschung oder vielmehr ein konsequenter Schritt in meiner Fotografen-Vita?

B: Erzähle uns bitte, was Dich dazu bewegte und vor allem, wie es funktioniert.

S: Das Gestalten von Bildern mit Hilfe einer KI ist ein revolutionärer Schritt und hebelt nicht nur die traditionelle Fotografie aus. Vorab bemerkt und für das Grundverständnis wichtig: Bilder, die mit einer KI generiert werden, sind im Ergebnis keine Fotos, selbst wenn sie so aussehen mögen. Es gibt weder einen Fotografen, noch einen Fotoapparat, kein Licht, keinen Ort (Motiv), und auch der Zeitpunkt für die Aufnahme spielt keine Rolle.

B: Was genau meinst Du damit?

S: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bildgestaltung, also seit den steinzeitlichen Höhlenmalereien bis in die Gegenwart, ist es jetzt möglich, mit Wörtern Bilder zu gestalten. Ich brauche kein Motiv, an dem ich mich orientiere, vielmehr entsteht das Motiv aus einer ins KI-Programm geschriebenen Idee.

B: Und das kann jeder?

S: Genau. Das Generieren von Bildern mit einer KI ist kein Hexenwerk, ganz im Gegenteil, es kann jeder, wirklich jeder. Man braucht nur einen Computer, Laptop, ein Tablett oder Smartphone und ein entsprechendes Programm.

B: Welches Programm verwendest Du?

S: Ich habe angefangen mit der kostenlosen Probeversion von „Adobe Firefly“ und habe dieses Programm mittlerweile als Abo, das keine 6 Euro im Monat kostet.

B: Du sagtest, das Generieren von KI-Bildern kann jeder. Wir wissen doch aber alle, dass manche als bedienerfreundlich angepriesenen Computerprogramme den Anwender zur Verzweiflung bringen können.

S: Ich kann nur von dem Programm berichten, das ich verwende. Nachdem ich die Arbeitsplattform geöffnet habe, wähle ich ein vom Programm angebotenes Bildformat aus, entscheide mich durch Anklicken eines Buttons zwischen „Kunst“ und „Foto“, schreibe in die dafür vorgesehene Zeile meine Bildidee und bestätige alles mit einem Mausklick. Nach wenigen Sekunden erscheinen dann vier Bilder. Ich nehme einen Vorschlag an und baue gegebenenfalls darauf auf. Weiter bietet das Programm eine Vielzahl von Techniken, Stile, optische Eigenschaften, deren Variationsmöglichkeiten ins Unendliche gehen. Hier ist vom Anwender Experimentierfreudigkeit gefordert.

B: Gib uns doch ein Beispiel! Kannst Du einen Satz formulieren und das Ergebnis hier zeigen?

S: Stillleben im Stil der Malerei des 17. Jahrhunderts mit Weintrauben, Weinglas, Holztisch, Gegenlicht, Smartphone... Zusätzlich dann den Button hyperrealistisch wählen.

B: Führen die gleichen Stichworte stets zum gleichen Ergebnis?

S: Nein, und darin liegt für mich die große Faszination einer KI. Sie macht Vorschläge, die oft jenseits der eigenen Vorstellungskraft liegen.

B: Eine letzte Frage: Bearbeitest du KI-Bilder mit einem Programm wie Photoshop nach bzw. weiter?

S: Die Antwort auf diese Frage möchte ich mit einem Zitat von Frank Schätzing einleiten: „Zur Freiheit der Kunst gehört die Freiheit des Künstlers, die Kunst mit dem Werkzeug seiner Wahl herzustellen. In diesem Moment ist die KI ein Werkstoff.“* Die kurze Version lautet: Ja, hin und wieder.

* Frank Schätzing, Schriftsteller und Journalist, im Kölner Treff des WDR am 24. Januar 2025.